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Renaissance der Armbanduhr

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Ab sofort gehe ich wenigstens als Privatmann ohne Mobiltelefon durch mein weiteres Leben. Wenn ich wieder ein Mobiltelefon besitzen sollte, wird dieses nur wie ein Festnetz benutzt; d.h. es bleibt auch dann zu Hause, wenn ich weg gehe.

In den 90er Jahren habe ich von meinem Papa eine Armbanduhr geschenkt bekommen. Es war eine damals ziemlich moderne Casio G-Shock. Ich war damals der erste in meiner Klasse, der so eine Uhr bekam und da mich meine Klassenkameraden nicht gerade mochten (das beruhte sehr stark auf Gegenseitigkeit) fingen sie an, sich über meine Uhr lustig zu machen: Mc Gyver Uhr nannten sie das klobige Digitalgebilde an meinem Handgelenk. Doch irgendwie wurde mir damals bewusst: Ich bin meiner Zeit wieder mal voraus; so sehr sie mich nicht mochten desto neidischer waren sie auf diese digitale Uhr. Sie wollten auch so eine haben. Einige Jahre später trugen aufeinmal fast alle Jungs in meiner achten Klasse so eine Uhr. Auf einmal waren diese digitalen Sportuhren ziemlich “In”. Casio G-Shock Uhren gibt es seit 1983 doch im Trend waren sie erst Mitte/Ende der 90er Jahre. Als Casio diesen straken Trend bemerkte, gab es auf einmal viel mehr Designs und knallige Farben zur Auswahl – wohl passend zur Techno-Szene, denn die Loveparade hatte damals in Berlin auch noch ihre Seele (Raver würden Spirit sagen). Dennoch wurden diese klobigen Uhren nur von den Jungs getragen. Also brachte Casio zunächst die G-Shock XS heraus, die deutlich kleiner und nur 100m statt 200m Wasserdicht waren. Diese Modelle wurden von den Mädels schon recht gut angenommen, jedoch war die Bezeichnung “G-Shock” wohl noch zu männlich und so wurden diese Modelle dann irgendwann zu “Baby-G” umbenannt. Anschließend waren diese Uhren, leicht verspätet, auch bei den Mädels der Renner und das Mode-Accessoire schlecht hin. Vielleicht erinnern sich auch einige meiner Leser an diese Zeit. Es war ganz genau der Zeitpunkt als sich die Handys gerade noch nicht durchgesetzt hatten.

Mit dem Millennium-Jahreswechsel 1999/2000 hat sich dann viel verändert. Ich musste zum ersten Mal länger zur Berufsschule und wollte ein sündhaft teures Prepaid Handy haben. Damals waren diese Geräte nicht so smart wie heute und mussten wohl eher als strahlender Klotz in der Hosentasche bezeichnet werden. Mit dem Besitz der Mobiltelefone legten fortan alle ihre Armbanduhren ab – denn diese wurden als allererstes durch die Handys ersetzt. Wozu sollte man jetzt noch eine Armbanduhr tragen, wenn man nur auf das Display des Handys schauen musste um sofort eine Uhrzeit ablesen zu können? An eine digital Anzeige der Uhr waren, Casio sei Dank, eh schon alle gewöhnt. Die Casio G-Shock bzw. die Baby-G war jetzt “Out” und das Mobiltelefon “In”. War ja auch cooler, denn man war einfach überall erreichbar und konnte sich SMS schicken. Ziemlich bald folgte der erste iPod, der die komplette Musikindustrie revolutionierte – und bis heute will jeder einen haben.

Als das iPhone 2007 heraus kam war es eine Revolution. Drei Geräte wurden in diesem einen vereint (Zitat Steve Jobs von der iPhone Präsentation 2007):

  1. Widescreen iPod with touch controls
  2. Revolutionary mobile phone
  3. Breakthrough Internet communicator

Man kann von Apple halten was man will, aber das wirklich bahnbrechende daran war, dass das alles in einem Gerät vereint war. Mit erscheinen des iPhones wurde das Schweizer Taschenmesser digital. ;)

Nach dem iPhone kam das iPad, welches eigentlich nur ein großes iPhone ist, bloß eben ohne Phone. Inzwischen ist die iPhone-Revolution selbst auch schon in der 5. Generation angekommen und ganz sicher entwickelt Apple bereits an der 6. Generation des iPhones.

Damals wie heute bin ich darüber verwundert, wie viele Menschen dieses Telefon benutzen, denn ich bin nachwievor nicht bereit mehrere hundert Euro für ein Telefon auszugeben.

Inzwischen besitze ich ein iPad Mini, welches ich geschenkt bekommen habe. Das iPad kann sich nur per WLAN mit dem Internet verbinden. Das tolle an dem iPad ist, dass es meine GPS Koordinaten selbst dann aufzeichnet wenn ich es ohne Internetempfang einfach nur mit nehme. Kein Mensch weiß, welche Daten diese kleine Wanze an wen auch immer übermittelt, wenn es sich das nächste Mal mit dem Internet verbindet. Könnte es sein, dass es mein komplettes Bewegungs- und Nutzungsprofil an wen auch immer übermittelt? Der Punkt ist, Apple sperrt mich von meinem eigenen Gerät aus, obwohl meine Daten auf diesem gespeichert sind. Das erinnert mich sehr stark an das diesen Fernseher im Roman 1984, den man niemals ausschalten kann, da man immer überwacht wird. Seit 14 Jahren besitze ich nun unterschiedliche Mobiltelefone unterschiedlicher Baureihen und Hersteller, doch smart wurden sie entgegen der Behauptung von Apple nie.

Heute im Jahr 2014 fahren Züge schneller denn je, die Autobahnen sind fast alle dreispurig, für einen Flug von Frankfurt nach Hongkong zahlt man 600 € und ist zehn Stunden später dort. Dennoch haben diese Errungenschaften eigentlich nur zu Einem geführt: Man sieht sich im echten Leben weniger als vorher. Anstatt einfach auf ein Bier vorbei zu kommen, hängt man den ganzen Tag vor dem Smartphone und chattet. Wenn etwas interessantes im Leben passiert, posten wir es in “unserem” Facebook und werfen unsere Daten und damit unsere komplette Persönlichkeit, der Werbeindustrie zum Fraß vor.

Am 8. Februar habe ich meine Kündigungen an meinen Mobiltelefon-Provider geschickt. Ich habe beschlossen nun wenigstens Privat ohne Mobiltelefon durch das Leben zu gehen. Ich will mich wenigstens als Privatmann keiner mobilen Wanze mehr hingeben (müssen). Ich habe Festnetz, wenn ich unterwegs bin einen Anrufbeantworter, und DSL als Flatrate. Das sollte nun auch reichen. Wenn ich nun für ein paar Stunden eines Spaziergangs im Wald verschwinde, möchte ich diesen Ausflug auch genießen ohne erreichbar zu sein. Wenn ich in die Hochschule fahre um eine Vorlesung zu hören möchte ich nicht mehr dazu verleitet werden, die Apps zu verwenden. Wenn jemand etwas von mir will, dann kann ich ja abends immer noch den Anrufbeantworter abhören oder meine E-Mails checken.

Und damit sind wir wieder am Anfang dieser Blog Publizierung angekommen. Im ersten Weltkrieg gab es das erste Mal im großen Stil Taschenuhren. Vorher hatten die Menschen keine Mobile Uhrzeit. Diese Taschenuhren wurden bald von Armbanduhren ersetzt. Man konnte diese einfach nicht mehr vergessen, da sie mit dem Arm fest verbunden waren. Mit dem Millennium 1999/2000 wurden dann die Armbanduhren in großem Stil von Mobiltelefonen abgelöst. Verdammt, ich hab meinen Vertrag gekündigt und ich brauche nun wieder eine Uhrzeit! Die letzten 14 Jahre habe ich mich immer wieder erwischt, wie ich vor einem Schaufenster mit Uhren stand. Hand aufs Herz: Wer trägt heute noch Armbanduhren?

Anfang der 80er Jahre hatten die Armbanduhren nicht gerade den Ruf robust zu sein und so gingen sie häufig durch Stoße des Alltags kaputt. In Japan gab es damals einen Ingenieur, der die Idee hatte, die Armbanduhr endlich einmal so richtig robust zu konstruieren und zu fertigen. Und das war die Geburtsstunde der Casio G-Shock. Leider fielen dann die Designer über dieses Produkt her: es musste möglichst krass, schrill, aggressiv und sportlich aussehen. Mit 13 Jahren fand ich diese Uhren toll, aber heute?! Außer von Jugendlichen können diese Uhren bis heute nicht getragen werden, denn solch ein Gerät passt nicht wirklich zu einem Anzug. Diese Uhren sind eben auch nicht smart. Und genau das ist der Grund, weshalb ich seit Jahren keine Armbanduhr mehr getragen habe: entweder sie sind robust und hässlich, oder hübsch und nicht gerade robust. Wenn man eine hübsche Uhr hat, die zudem robust ist, ist sie meist aus Stahl gefertigt und wahnsinnig schwer. Und das Handy hatte ich eh dabei.

Nachdem ich meinen Mobilfunkvertrag gekündigt habe, stand für mich fest: Kein neuer Vertrag, kein neues Mobiltelefon – ich will meine verfluchte Freiheit und eine Armbanduhr für die Bushaltestelle wieder haben.
Ich möchte eine hübsche, leicht aggressiv aussehende Armbanduhr, die trotzdem elegant und überaus robust ist bitte. Ich möchte mit ihr tauchen gehen und auch zu einem Anzug anziehen können. Eine schier unlösbare Aufgabe, oder?

Damals in der siebten Klasse waren meine Klassenkameraden neidisch. Ob sie heute über meine neu gewonnene Freiheit auch neidisch wären?

CASIO G-Shock DW-5600BB-1ER

Wenn man von einer G-Shock wirklich sagen kann, sie sei elegant, dann ist es diese hier. Diese Uhr kann man zum Taucheranzug und zum Anzug anziehen. Und aus irgendeinem Grund harmoniert diese Uhr sogar mit meinem Webdesign, mit meinem Notebook und mit meiner Kameraausrüstung.

Eine perfekte digitale Uhr für mein digitales Leben ohne Mobiltelefon. Kaufpreis? Deutlich billiger als ein iPhone und mit deutlich mehr Freiheit verbunden: diese Uhr trackt nämlich nicht mein ganzes Leben mit!

Es ist vielleicht an der Zeit wieder vor zu denken: Zumindest als Privatmann gehe ich nun ohne Mobiltelefon stattdessen wieder mit Armbanduhr durch mein Leben. ;)

Fazit

–> Taschenuhr –> Armbanduhr –> Mobiltelefon (also Taschenuhr) –> Armbanduhr :cool:

P.S.

Und mein iPad? Das darf mal schön zu Hause bleiben: als Werkzeug für unterwegs bevorzuge ich übrigens das originale Schweizer Taschenmesser, denn mit diesem kann ich mir bei meinen Freunden ein Bier aufmachen. ;)


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